Die zweiten Konsultationen finden am 26. und 27. Juli in Konstanz statt. Dabei werden folgende Zwischenergebnisse der Länder- und Facharbeitsgruppen präsentiert: Für die weitere Unterstützung von Projekten in Nicaragua, wie sie bereits in der ersten Konsultation beschlossen wurde, wird eine Prüfmission vorbereitet. Bei den afrikanischen Staaten gibt es unterschiedliche Einschätzungen. In Mosambik, einem bisherigen Schwerpunktland der DDR-Entwicklungshilfe, sollen laufende Projekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu Ende gebracht und nur Projekte mit hoher entwicklungspolitischer Relevanz in modifizierter Form weitergeführt werden. Für Namibia, wo sich die bisherige Zusammenarbeit auf die Unterstützung der SWAPO richtete, werden vorerst keine Entscheidungen getroffen. Perspektivisch wären Hilfen im Bereich der Aus- und Fortbildung denkbar. Zurückhaltung im Rahmen der staatlichen Entwicklungshilfe wird für die Länder Angola und Äthiopien empfohlen wegen der dortigen Bürgerkriege. Bezüglich Vietnam, Laos und der Mongolei besteht seitens der Bundesrepublik eine grundsätzliche Bereitschaft zur entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, wobei über Art und Umfang der Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden soll. Für Kambodscha, zu dem die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen unterhält, sollen ausgewählte Projekte über Nichtregierungsorganisationen ermöglicht werden. Die weitere staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba wird seitens der Bundesregierung aus politischen Gründen kategorisch abgelehnt. Das humanitäre Engagement von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen ist davon jedoch nicht betroffen, entsprechende Projekte sollen unterstützt werden.
Bei der Frage der bisher von Seiten der DDR gewährten Präferenzpreise setzt sich ebenfalls die bundesdeutsche Position durch, die eine ersatzlose Abschaffung vorsieht. Da die Präferenzpreisabkommen an die Fünfjahrespläne der DDR gekoppelt sind, kann das MWZ diese Verträge ohne besondere Vertragskündigung, quasi planmäßig, zum 31. Dezember 1990 auslaufen lassen. Es werden keine neuen Handelsabkommen zu Vorzugspreisen abgeschlossen.
Darüber hinaus werden Schwierigkeiten und Perspektiven der Weiterführung der Ausbildung an Hoch- und Fachschulen bzw. der Fortbildungsprogramme diskutiert, die in der Entwicklungspolitik der DDR eine große Rolle spielen. Dabei geht es vorrangig um Fragen der Zuständigkeiten, der Finanzierung und der Organisation.
Ferner wird die Bildung neuer Arbeitsgruppen zu den Bereichen Gesundheitswesen und Reintegration vereinbart. Eine weitere Arbeitsgruppe soll eine Bestandsaufnahme der bestehenden Grundsätze, Verträge, Verfahren und Abkommen zwischen der DDR und Entwicklungsländern durchführen und ihre Anpassung bzw. Überleitung für die Zeit nach der Vereinigung vorbereiten.
Hinsichtlich der Problematik des Schuldenerlasses für die am wenigsten entwickelten Länder wird vereinbart, eine interministerielle Arbeitsgruppe zu gründen, um sämtliche Forderungen der DDR aus Verträgen mit Entwicklungsländern systematisch zu erfassen. Ein Schuldenerlass käme jedoch nur infrage, wenn beide Finanzministerien zustimmen. Trotz bestehender Bedenken bringt Minister Ebeling Anfang August 1990 eine Vorlage über den Schuldenerlass in den Ministerrat ein. Finanzminister Romberg legt – in Abstimmung mit dem bundesdeutschen Finanzminister – dagegen sein Veto ein, da er „keine Notwendigkeit und Möglichkeit“ zum Schuldenerlass sieht. Stattdessen schlägt er vor, diese Entscheidung der Regierung des vereinten Deutschlands zu überlassen. Da sich Entwicklungsminister Ebeling mit seiner Forderung nicht durchsetzen kann, verzichtet er auf seine Teilnahme an der Second United Nations Conference on the Least Developed Countries (LDC-Konferenz) in Paris Anfang September 1990. Seine Teilnahme hatte er an die Möglichkeit der Bekanntgabe eines Schuldenerlasses der DDR für entwicklungspolitisch ausgerichtete Kredite an die am wenigsten entwickelten Länder geknüpft.