Unter dem Banner der „antiimperialistischen Solidarität“ engagiert sich die DDR mit vielfältigen Projekten und Maßnahmen bis 1990 weltweit in rund 100 Entwicklungsländern. Diese Zusammenarbeit wird vorrangig nach strategischen, ideologischen und politischen Kriterien gestaltet: So ist die „antiimperialistische Solidarität“ als Instrument der DDR-Außenpolitik maßgeblich durch die Systemauseinandersetzung im Ost-West-Konflikt geprägt. Durch die Unterstützung von Entwicklungsländern erhofft sich die DDR einerseits die internationale Anerkennung als eigenständiger Staat und andererseits eine Stärkung des sozialistischen Blocks. Ab den 1980er Jahren stehen zunehmend ökonomische Überlegungen im Vordergrund, da sich die DDR über die Entwicklungsländer zugleich dringend benötigte Grund- und Rohstoffe im Austausch gegen eigene Waren sichert.
Aufgrund der politisch-ideologischen Ausrichtung werden im offiziellen Sprachgebrauch der DDR Begriffe wie Entwicklungshilfe oder Entwicklungspolitik, wie sie beispielsweise in der Bundesrepublik gebräuchlich sind, auch nicht verwendet – die DDR leistet „solidarische Hilfe“.
Die Beziehungen zu den Entwicklungsländern bestehen aus einer komplexen Mischung von unentgeltlichen Leistungen, kommerziellen Handelsbeziehungen sowie wissenschaftlich-technischen und kulturellen Maßnahmen. Dazu zählen im Wesentlichen:
Die Besonderheit der Entwicklungszusammenarbeit in der DDR bis 1989 liegt im Fehlen einer zentralen Institution, welche die entwicklungspolitischen Maßnahmen auf staatlicher Ebene koordiniert. Es gibt weder eine einheitliche Konzeption zur Umsetzung bestimmter Zielsetzungen noch eine zentrale Planung und Leitung. Erst im November 1988 wird durch eine vom Ministerrat beschlossene „Ordnung über die Koordinierung und Abrechnung der Hilfeleistungen der DDR gegenüber Entwicklungsländern“ die staatliche Koordinierung entwicklungspolitischer Maßnahmen institutionell verankert. Diese Regelung beschränkt sich jedoch auf die rückwärtige Erfassung und Abrechnung von Maßnahmen, so dass die Steuerung der Entwicklungspolitik weiterhin bei verschiedenen beteiligten Staatsorganen verbleibt. Mehr als 60 staatliche und gesellschaftliche Institutionen sind an der Umsetzung der Maßnahmen und Projekte beteiligt, darunter eine Vielzahl von Ministerien. Die Maßnahmen der gesellschaftlichen Organisationen werden seit 1960 überwiegend durch das Solidaritätskomitee koordiniert, das formal selbstständig agiert, de facto aber der Weisung des ZK der SED untersteht. Durch die Tatsache, dass die Entwicklungszusammenarbeit durch verschiedene Einrichtungen realisiert und aus verschiedenen Quellen finanziert wird, gibt es keine vollständigen Übersichten zu den Aktivitäten der DDR auf diesem Gebiet.
Auch wenn die DDR entwicklungspolitische Beziehungen zu insgesamt etwa 100 Ländern unterhält, so konzentriert sich das Engagement auf etwa 30 Schwerpunktländer in Afrika, Asien und Lateinamerika. Ganz besonders intensiv ist dabei die Zusammenarbeit mit den Ländern Afghanistan, Angola, Äthiopien, Kambodscha, Kuba, Laos, Mongolei, Mosambik, Nicaragua, Südjemen und Vietnam. Darüber hinaus unterstützt die DDR sozialistische Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika wie die SWAPO in Namibia und den ANC in Südafrika.
Neugründung und Amtssitz
Mit dem Amtsantritt der neuen Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière wird erstmals eine zentrale Stelle geschaffen, welche die bisher auf verschiedene staatliche und gesellschaftliche Organisationen verteilten Kompetenzen und Aufgaben zusammenführt. Damit wird eine einheitliche Durchführung aller entwicklungspolitischen Maßnahmen gewährleistet. Strukturell wird das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (MWZ) nach bundesdeutschem Vorbild aufgebaut. Es werden fünf große Aufgabenbereiche definiert:
Zum Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit wird der Pfarrer Hans-Wilhelm Ebeling ernannt, der bis zu seiner Berufung in der Leipziger Thomaskirche tätig gewesen ist. Ihm zur Seite stehen ab Mai zwei Staatssekretäre, die sich ebenfalls durch ihr Engagement in der evangelischen Kirche auszeichnen: Oswald Wutzke und Wolf-Dieter Graewe. Insgesamt werden rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt, von denen ein Großteil aus kirchlichen Institutionen und Dritte-Welt-Gruppen kommen, die häufig auch Teilnehmer des Entwicklungspolitischen Runden Tisches sind. Auch Vertreter der bisherigen offiziellen Solidaritätspolitik der DDR werden im MWZ beschäftigt. Dabei handelt es sich zumeist um als politisch unbescholten geltende Personen, die zuvor keine führenden Positionen innehatten. Nur in Ausnahmefällen wird auf die Kompetenz und das Wissen der alten Elite zurückgegriffen. Außerdem wechseln Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Ministerien in das neu gegründete MWZ. Unterstützung beim organisatorischen Aufbau leistet das bundesdeutsche Entwicklungshilfeministerium, das auch zwei Berater entsendet. Darüber hinaus findet eine fachlich-inhaltliche Zusammenarbeit beider Ministerien statt. Von Anfang an werden dabei auch Pläne zur Zusammenführung des ost- und des westdeutschen Ressorts entwickelt. Zusätzlich wird das Ministerium von bundesdeutschen Organisationen wie beispielsweise der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) beraten.
Das Ministerium hat seinen Dienstsitz im Haus der Ministerien in der Leipziger Straße 5-7 und besteht aus drei Abteilungen mit 10 Unterabteilungen und 32 Referaten:
Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wird das MWZ aufgelöst. Etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ins BMZ übernommen, das eine Außenstelle in Berlin einrichtet. Die Leitung der Außenstelle übernimmt Staatssekretär Wolf-Dieter Graewe.
Kopie eines Schreibens an Ministerpräsident Lothar de Maizière mit dem Betreff: "Vorlage über Stand der Konzipierung des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Berücksichtigung inhaltlicher Fragen“ inklusive Organigramm vom 15. Mai 1990.
Quelle: BArch, DL 3/111 (pdf)Organigramm des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Stand vom 24. Juli 1990.
Quelle: BArch, DL 3/112 (pdf)Hausverfügung Nr. 10/90 vom 1. Oktober 1990 über die Einrichtung einer Außenstelle des BMZ in Berlin, Änderungen des Organisationsplans und der Geschäftsverteilung des BMZ inkl. Anlagen.
Quelle: BArch, B 513/3 (pdf)Hans-Wilhelm Ebeling (*1934), Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Die Staatssekretäre im Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Oswald Wutzke, Wolf-Dieter Graewe
Im MWZ werden im Juni 1990 neue Grundlinien für eine humane, solidarische und entideologisierte Entwicklungshilfepolitik erarbeitet.
Eine der wichtigsten Aufgaben des MWZ besteht darin, alle existierenden Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zu erfassen und zu bewerten.
Im Rahmen der Katastrophenhilfe gewährt die DDR den Entwicklungsländern in besonderem Maße humanitäre Hilfe und unterstützt Wiederaufbaumaßnahmen.