Die Deutsche Volkspolizei (DVP) ist in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Stellen und den Organen der Rechtspflege für die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuständig. Sie untersteht dem Ministerium des Innern, dessen Vertreter zugleich die oberste Führungsebene bilden. So fungieren der Minister des Innern bzw. seine Stellvertreter seit Mitte der 1950er Jahre gleichzeitig als Chef der DVP. Die weitere Organisation der DVP folgt einem streng hierarchischen und zentralistischen Prinzip. Den Mittelbau repräsentieren 15 Bezirksbehörden (BdVP) sowie das Präsidium der Volkspolizei in Ost-Berlin (PdVP). Die untere Ebene bilden 212 Volkspolizeikreisämter (VPKA) und acht Volkspolizeiinspektionen in Ost-Berlin. Zusätzlich gibt es in einzelnen Gemeinden, Wohngebieten oder Stadtbezirken sogenannte Abschnittsbevollmächtigte (ABV), die für die Bevölkerung in der Regel der erste polizeiliche Ansprechpartner sind. Der ABV macht Streifendienst, führt Verkehrskontrollen durch und nimmt Ordnungswidrigkeiten sowie Strafanzeigen auf. Unterstützt werden die ABV darüber hinaus durch „freiwillige Helfer der Deutschen Volkspolizei“.
Bis 1989 ist die Volkspolizei eine tragende Säule des SED-Regimes und gewährleistet die bedingungslose Durchsetzung des Führungsanspruches. Als Teil des Sicherheitsapparates arbeitet die DVP in bestimmten Bereichen, z.B. der Kriminalpolizei, eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammen. Außerdem veranlasst die Staatssicherheit die Volkspolizei zu zahlreichen Kontrollmaßnahmen gegenüber ausgewählten Personen oder tarnt eigene Maßnahmen als Vorgehen der Volkspolizei.
Im Sommer und Herbst 1989 greift die Volkspolizei – als politisch zuverlässiges Exekutivorgan – bei den immer größer werdenden Demonstrationen zunächst hart durch. Einen Höhepunkt bilden die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den ersten Oktobertagen 1989, wo es zu Massenfestnahmen in mehreren Städten der DDR kommt, wie in Leipzig, Halle und Ost-Berlin. Kurz darauf jedoch bricht das Gewaltmonopol des Staates zusammen. Mit dem politischen Legitimitätsverlust der SED geht auch ein dramatischer Autoritätsverlust der Volkspolizei einher. Erste Versuche zur selbstkritischen Auseinandersetzung mit der Rolle der DVP im SED-Regime beginnen unter der Regierung Modrow. Dazu gehören unter anderem die Einsetzung eines neuen DVP-Chefs, die Abschaffung der militärischen Dienstgrade und die Abkoppelung von der SED als oberster Leitinstanz. Anfang 1990 wird dann das Amt des Chefs der DVP von dem des Innenministers getrennt. Mit Blick auf die vielen im Land stattfindenden Demonstrationen wird eine Strategie der Sicherheitspartnerschaften zwischen Polizei und Veranstaltern von Demonstrationen etabliert. Die stärkere Orientierung auf Konfliktbewältigung und Deeskalation trägt zum weitgehend friedlichen Ablauf von Protestkundgebungen in der Folgezeit bei. Insgesamt jedoch befindet sich die Volkspolizei zu Beginn des Jahres 1990 durch die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche in einer Identitätskrise, die alle Dienstzweige betrifft:
Befehl Nr. 1/90 des Stellvertreters des Ministers für Innere Angelegenheiten und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufgaben der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bei der demokratischen Erneuerung in der DDR vom 15. Februar 1990.
Quelle: BArch, DO 1/59412Mit Amtsantritt der neuen Regierung erklärt Ministerpräsident Lothar de Maizière die demokratische Erneuerung der Deutschen Volkspolizei zur zentralen Aufgabe des MdI. Per Ministerratsbeschluss vom 2. Mai 1990 wird Innenminister Peter-Michael Diestel damit beauftragt, Maßnahmen und Schritte einzuleiten, um die Deutsche Volkspolizei zu einer „zivilen Ordnungskraft“ zu entwickeln. Mit Blick auf die aktuelle Situation sind dafür „radikale Veränderungen in der Bildung und Führung“ erforderlich, um „die demokratische Haltung der Volkspolizisten, ihre Loyalität, die Transparenz ihrer Tätigkeit weiter auszuprägen.“
Die neue Regierung steht aber nicht nur vor der Herausforderung, das Vertrauen der Angehörigen der Volkspolizei für den demokratischen Neuanfang zu gewinnen. Sie muss gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die klassischen Polizeiaufgaben der alltäglichen Ordnungssicherung und Kriminalitätsbekämpfung weiterhin erfüllt werden. In dieser Hinsicht gilt es, das verloren gegangene Vertrauen zwischen Bevölkerung und Polizei neu aufzubauen. Mit Blick auf die innere Sicherheit konstatiert die Anlage des Ministerratsbeschlusses vom 2. Mai 1990: „Zunehmend gibt es Erscheinungen willkürlicher Rechtsverletzungen, bewußter Mißachtung der Gesetze, entwickelt sich Rowdytum und Extremismus. Sprunghaft angestiegen sind Gewaltandrohungen, die Fülle von Raub, Erpressung, Brandstiftung. Extremistische Gruppen, zum Teil vermummt, randalieren in Stadien, stören massiv Veranstaltungen, zerstören gesellschaftliche Einrichtungen und schlagen grundlos auf unschuldige Bürger ein. (…) Mit dem Anstieg der Kriminalität hält derzeit die Aufklärung von Straftaten nicht Schritt.“
Fernschreiben von Minister Diestel an alle Chefs der BDVP, Leiter der Dienststellen und Schulen nach Amtsantritt mit Bitte um Loyalität und aktives Mitwirken „bei den sich in unserem Lande vollziehenden tiefgreifenden Wandlungen und bei der Durchsetzung von Recht und Gesetzlichkeit.“ (ohne Datierung).
Quelle: BArch, DO 1/10503 (pdf)Beschluss des Ministerrates zur Situation in der Deutschen Volkspolizei und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Strukturen unter Beachtung der künftigen Länderbildung vom 2. Mai 1990.
Quelle: BArch, DC 20/I/3/2948 (pdf)Befehl Nr. 122/90 des Innenministers über Sicherungsmaßnahmen anläßlich der Währungsumstellung in der DDR vom 13. Juni 1990.
Quelle: BArch, DO 1/59439 (pdf)Informationen des Präsidiums der Volkspolizei Berlin über Maßnahmen gegen illegalen Warenverkauf und zur Bekämpfung des illegalen Geldwechselns vom 14. Juni 1990.
Quelle: BArch, DO 1/10503 (pdf)Information des Zentralen Kriminalamtes vom 29. August 1990 zu Angriffen auf Geld- und Kreditinstitute im Zeitraum Januar bis August 1990.
Quelle: BArch, DO 1/10532 (pdf)Neues Leitbild und bundesdeutsche Unterstützung
Um den Prozess der Demokratisierung der Volkspolizei voranzubringen, werden unterschiedliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Sie sollen zum einen helfen, die rund 85.000 VP-Angehörigen (Stand Juni 1990) zu motivieren, deren Stimmung geprägt ist von Verunsicherung aufgrund des Wegfalls der gewohnten festen Strukturen und der Sorge um die eigene berufliche Existenz. Zum anderen soll mit den Maßnahmen die Dezentralisierung der Volkspolizei und ihr Übergang in die Zuständigkeit der neu zu bildenden Länder unter Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit vorbereitet werden.
Integraler Bestandteil des Erneuerungsprozesses ist es, ein neues Berufsbild der Polizeiarbeit zu etablieren, das sich an demokratischen Werten, Menschenrechten und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit orientiert. Zu diesem Zweck lässt Innenminister Diestel ein neues Leitbild des Volkspolizisten erarbeiten und im Juni 1990 unter dem Titel „Polizeidienst – ein Beruf mit demokratischer Tradition“ als Broschüre veröffentlichen. Im Zusammenhang mit der Reorganisation der Polizeiarbeit werden außerdem neue gesetzliche Regelungen zum Dienstverhältnis, der Dienstlaufbahn und zur sozialen Absicherung nach Ausscheiden aus dem Dienst geschaffen. Dies ist notwendig, da das bisherige Laufbahn-System der ostdeutschen DVP nicht kompatibel ist mit dem System der westdeutschen Polizeien in Bund und Ländern. So soll auch der Rechtsstatus der DVP-Angehörigen angeglichen werden, d.h. ein Wechsel vom Angestelltenverhältnis zum Beamtenstatus erfolgen.
In diesen Prozess bringen sich die neu gebildeten Intressenvertretungen der Angehörigen der Volkspolizei intensiv ein. Bereits im Januar 1990 wird die Gewerkschaft der Volkspolizei gegründet, gefolgt vom Verband der Kriminalisten e.V. im Mai 1990 und der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund im Juni 1990. Die Gewerkschaften verhandeln mit dem MdI unter anderem über einen neuen Tarifvertrag. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, organisieren sie medienwirksame Demonstrationen. Die Gewerkschaften beteiligen sich auch am Aufbau der neuen Länderstrukturen.
Bei der Dezentralisierung der Organisationsstrukturen leisten die bundesdeutschen Institutionen wertvolle Unterstützung. Am 4. und 5. Mai 1990 lädt Innenminister Diestel alle Innenminister und -senatoren der bundesdeutschen Länder zu einer gemeinsamen Konferenz nach Ost-Berlin ein. Es werden Arbeitsgruppen gebildet, die über konkrete Unterstützungsleistungen für die DDR beim Aufbau der neuen Polizeistrukturen verhandeln. Als Maßnahmen werden beschlossen:
Um die Kosten für die DDR gering zu halten, entfallen beispielsweise die Teilnahmegebühren für alle in Westdeutschland stattfindenden Seminare. Das gilt auch für die Kosten der Unterbringung und Versorgung, Reisekosten, Vergütung von Lehrkräften und Bereitstellung von Lehr- und Lernmitteln.
Zur Überführung der Polizeistrukturen in die Länderhoheit wird am 13. Juni 1990 die Zentrale Kommission Strukturanpassung gebildet. Sie ist für die Erarbeitung von Rahmenstrukturen, Arbeitsweisen, Organisationsformen sowie die Definition der Aufgabengebiete der neuen Landesinnenministerien zuständig. Teil dieser Strukturanpassung ist die Ausgliederung einiger Arbeitsgebiete, die bisher durch die Volkspolizei wahrgenommen werden. Dazu zählen der Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen (Einwohnermeldeamt), die KfZ-Zulassungsstellen sowie der Brand- und Katastrophenschutz (Feuerwehr). Die Transportpolizei wird in den Bundesgrenzschutz überführt.
Protokoll über eine am 16. Mai 1990 in der BDVP Erfurt stattgefundene Beratung zwischen Vertretern der BDVP Erfurt, dem hessischen Innenministerium und dem rheinland-pfälzischen Ministerium des Innern und für Sport über Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Quelle: BArch, DO 1/11325 (pdf)Protokoll vom 17. Mai 1990 über eine Dienstreise am 14. und 15. Mai 1990 der Chefs der BDVP`n Schwerin, Neubrandenburg und Rostock zum Polizeipräsidium nach Hamburg, dem Schutzpolizeiamt des Innenministeriums Schleswig-Holstein nach Kiel und zur Bereitschaftspolizeiabteilung nach Eutin.
Quelle: BArch, DO 1/11325 (pdf)Neue Gesetzesgrundlage für die Polizeiarbeit
Auch die Grundlagen der Polizeiarbeit werden auf ein neues Fundament gestellt. Noch arbeitet die Volkspolizei gemäß den Vorgaben des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei vom 11. Juni 1968. Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes und dem demokratischen Neubeginn der Regierung de Maizière genügt diese jedoch in wesentlichen Teilen weder den rechtsstaatlichen Ansprüchen noch den praktischen Erfordernissen. Ein neues Gesetz ist dringend notwendig, um die Aufgaben und Befugnisse der Polizei neu zu definieren und klar festzulegen, wo die Grenzen polizeilichen Handelns liegen.
Ein erster Entwurf für ein vorläufiges neues Polizeiaufgabengesetz wird am 20. Juli 1990 von der Fraktion der Liberalen in die Volkskammer eingebracht und anschließend in den Innenausschuss sowie den Ausschuss für Verfassung und Verwaltungsreform überwiesen.
Auch im MdI wird an einem eigenen Gesetzesentwurf gearbeitet. An der Ausarbeitung sind Vertreter des Bundesinnenministeriums und der Innenministerien der Länder der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Am 30. August 1990 wird der vom Ministerrat eingebrachte Entwurf zum Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei in erster Lesung in der Volkskammer beraten. Nach intensiver Diskussion wird er in den Innenausschuss sowie den Ausschuss für Verfassung und Verwaltungsreform überwiesen. In zweiter Lesung am 13. September 1990 wird der überarbeitete Ministerratsentwurf beschlossen. In Anlehnung an das bundesdeutsche Recht sind darin die Aufgaben auf die Gefahrenabwehr und die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten beschränkt und die Befugnisse der Polizei neu geregelt. Damit wird sowohl den Bürgern der erforderliche Rechtsschutz durch die Polizei garantiert als auch den Angehörigen der Polizei Anleitung zum juristisch exakten Handeln gegeben. Im neuen Polizeigesetz wird zudem der Begriff „Volkspolizei“ nicht mehr verwendet. Das Gesetz sieht außerdem für eine Übergangszeit die Beibehaltung des Zentralen Kriminalamts und der Transportpolizei als gemeinsame Einrichtungen der Länder vor. Spezielle personalrechtliche Regelungen beinhaltet das Polizeigesetz nicht. Hier greifen die Regelungen des Einigungsvertrages, der allgemeine Mindeststandards für ordentliche und außerordentliche Kündigungen für Arbeitsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung verbindlich festlegt, die auch für den Bereich der Polizei gelten. Zusätzlich bleibt die bereits angepasste Dienstlaufbahnverordnung der DDR vorerst bestehen. Das neue Gesetz tritt am 1. Oktober 1990 in Kraft und bleibt bis zum Inkrafttreten von Polizeigesetzen der Länder gültig, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1991.
Damit verschafft es den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung Zeit, um mittelfristig eigene Landespolizeigesetze zu erarbeiten und zu erlassen. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik werden die Polizeistrukturen in die neuen Landespolizeien überführt. Das Personal wird automatisch in Anstellungsverhältnisse mit dem jeweiligen Bundesland übernommen unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen. In den darauffolgenden Monaten erfolgt die Überprüfung und Übernahme der Bediensteten in den Beamtenstatus. Eine groß angelegte Überprüfung der Polizisten vor der Wiedervereinigung ist aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich. Es haben jedoch zwischen Januar und Oktober 1990 mehrere Tausend Polizisten ihr Dienstverhältnis freiwillig beendet, so dass ein deutlich reduzierter Personalbestand in die Polizeistrukturen der neuen Länder zu übernehmen ist. Die Gründe für das Ausscheiden sind vielfältig. Eine Vielzahl kommt aufgrund ihres Alters für einen vorgezogenen Ruhestand infrage. Ebenso wollen viele aufgrund ihrer politischen Einstellung bzw. einer früheren Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst nicht mehr in der Polizei arbeiten. Auch die Nicht-Akzeptanz der Dienstgradabstufung nach erfolgter Übernahme ist für viele Polizisten eine Motivation für einen Jobwechsel. Nicht zuletzt wird der Personalbestand auch durch Umstrukturierungsmaßnahmen reduziert. Da es in den neuen Bundesländern und Berlin kein einheitliches Verfahren zur Überprüfung von ehemaligen Angehörigen der DVP im Zusammenhang mit der Übernahme in den gesamtdeutschen Polizeidienst gibt, liegen keine vollständigen Statistiken vor. Schätzungen gehen davon aus, dass einige Tausend Personen im Zuge der Überprüfungen aus dem Dienst entlassen werden. Die überwiegende Mehrheit der Polizisten wird jedoch weiterbeschäftigt.
Brief der Gewerkschaft der Volkspolizei vom 19. Juli 1990 an Ministerpräsident Lothar de Maizière mit Forderungen für eine soziale Absicherung der DVP-Angehörigen und Neuregelungen bei der Entlohnung.
Quelle: BArch, DC 20/6808 (pdf)Schreiben von Minister Diestel an Bundesinnenminister Schäuble vom 4. September 1990 zur Bildung von Bereitschaftspolizeien in den neuen Bundesländern sowie Berlin (Ost).
Quelle: BArch, DO 1/10504 (pdf)Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei vom 13. September 1990.
Quelle: Gesetzblatt der DDR 1990, Teil I, Nr. 61 (pdf)Sonderfall Berlin
Eine Ausnahme bildet Berlin bei der Zusammenführung der Ost- und West-Berliner Polizei. Ein erstes Treffen zwischen dem Berliner Innensenator Erich Pätzold und Innenminister Peter-Michael Diestel findet kurz nach dessen Amtsantritt am 27. April 1990 statt. An dem Treffen nehmen auch die beiden Polizeipräsidenten von Berlin teil. Es wird über geeignete Schritte zur Zusammenführung beider Berliner Polizeien beraten und eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Seit Juli 1990 verschlechtert sich die Kooperation auf der Leitungsebene zwischen beiden Polizeipräsidien jedoch merklich. Zu diesem Zeitpunkt wird bei der West-Berliner Senatsverwaltung für Inneres eine Arbeitsgruppe gebildet, in der sich Vertreter der Senatsverwaltung, der Polizeien West- und Ost-Berlins, des MdI und der Magistratsverwaltung für Inneres mit Fragen der Eingliederung, Überprüfung und Schulung der Volkspolizisten beschäftigen. Ihrer Empfehlung folgend gilt das Prinzip der Nichteignung bis zum Beweis des Gegenteils. Es zeichnet sich ab, dass Polizisten des höheren Dienstes nach Einzelfallprüfungen nur in Ausnahmefällen übernommen werden. Daher nutzen vor allem viele Führungskräfte bereits vor der Vereinigung die Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst.
Am 25. September 1990 unterstellt Innenminister Diestel die Ost-Berliner Polizei dem Ost-Berliner Magistrat und gliedert sie damit faktisch aus dem Verantwortungsbereich des MdI aus. Der Magistrat beschließt dann gemeinsam mit dem West-Berliner Senat die Vereinigung beider Polizeien zum 1. Oktober, was de facto das Ende des Ost-Berliner Polizeipräsidiums bedeutet. Einzig verbleibende Behörde ist der (West-)Berliner Polizeipräsident. Gemäß Einigungsvertrag geht die Polizeihoheit mit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober auf das Land Berlin über. Dort gilt ab dem 3. Oktober nicht das Polizeiaufgabengesetz, sondern das Westberliner „Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz“.
Mit dem Beitritt wird ein Großteil der verbliebenen Ost-Berliner Polizisten übernommen und in den folgenden Monaten einer Überprüfung unterzogen. In deren Ergebnis werden viele Bedienstete in die nächstniedrigere Laufbahn zurückgestuft, was bei den Betroffenen vielfach zu Unmut und Verbitterung führt.