Zu den zentralen Forderungen der Demonstrationen im Herbst 1989 gehören die Abschaffung des zentralistischen Verwaltungssystems der DDR-Bezirke und die Wiedereinführung der Länder. Diese waren 1952 im Zuge der Umstrukturierung des Verwaltungsaufbaus im Sinne des „demokratischen Zentralismus“ aufgelöst und in 15 Bezirke mit 217 Kreisen umgewandelt worden. Mit dem Umbau der Verwaltung will die SED ihren Einfluss auf die Kommunen und Regionen dauerhaft sichern und durchsetzen.
Um den öffentlichen Forderungen nach Veränderung Rechnung zu tragen, setzt die Übergangsregierung unter Hans Modrow am 18. Dezember 1989 die Regierungskommission „Verwaltungsreform“ ein. Unter Leitung von Peter Moreth, der später zum ersten Chef der Treuhandanstalt ernannt wird, entwickelt die Kommission einen Maßnahmeplan zur Wiedereinführung föderalistischer Strukturen in der DDR. Nach den ersten freien Wahlen am 18. März 1990 ändert sich die personelle Zusammensetzung der Kommission. Zum Sekretär wird Rainer Dudek ernannt, der im MfRKA für die Abteilung „Verwaltungsreform“ zuständig ist. Nach Diskussionen über die künftige Territorialstruktur mit zwei, vier und fünf Ländern spricht sich die Kommission am 17. April 1990 für die Wiedereinführung der Länder in den Grenzen von 1952 aus.
Zur gesetzlichen Regelung der territorialen Gliederung der Länder gründet sich zudem eine Gesetzgebungskommission zur Erarbeitung eines „Verfassungsgesetzes zur Bildung von Ländern in der DDR – Ländereinführungsgesetz (LEG)“, die am 18. Mai 1990 erstmalig tagt. Ziel ist es, bis Ende Juni 1990 einen Gesetzentwurf für die erste Lesung in der Volkskammer vorzulegen. Bereits auf der vierten Sitzung des Ministerrates werden am 2. Mai 1990 die drei ersten Beschlüsse zur Verwaltungs-und Gebietsreform diskutiert:
Beschluss zum Vorschlag zur Sicherung der Regierungsfähigkeit in den Bezirken bis zur Bildung funktionsfähiger Länder
Beschluss zum Vorschlag für ein Gesetz zur Bildung von Ländern in der DDR einschließlich Ländergliederung (Ländereinführungsgesetz)
Beschluss zum Entwurf des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung)
Produktion von Fahnen für die „neuen“ Bundesländer im September 1990. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0925-407, Fotograf: Matthias Hiekel
Diese Beschlüsse sind zentral für die Neueinführung der Länder. Mit dem Entwurf für das Ländereinführungsgesetz wird auch die zukünftige Aufteilung des Staatsgebietes der DDR in fünf Länder vorgeschlagen. Damit folgt das Gesetz den Empfehlungen der Regierungskommission „Verwaltungsreform“ der Länder: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
Manfred Preiß erinnert sich an die Kontroversen bei der Bildung der Länder in der DDR.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015
Von August bis Oktober 1990 ist Karl-Hermann Steinberg zusätzlich zu seinem Ministeramt als Landessprecher des Landes Sachsen-Anhalt tätig, das sich zu diesem Zeitpunkt in Gründung befindet. Im Interview erinnert er sich an diese Zeit und damalige Problemlagen.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2016
In einem Beitrag vom 25. Juni 1990 berichtet die DDR-Fernsehsendung "Aktuelle Kamera" von den offenen Fragen bei der Einführung der fünf neuen Länder.
Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv
Manfred Preiß Redebeitrag auf der 17. Sitzung der Volkskammer am 22. Juni 1990 zur ersten Lesung des Ländereinführungsgesetzes.
Deutscher Bundestag
Am Ortseingang präsentiert sich die ehemalige Bezirkshauptstadt als Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0918-025, Fotograf: Thomas Uhlemann
Im Vorfeld der ersten Lesung des Ländereinführungsgesetzes kommt es zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen, da die territorialen Zugehörigkeiten bestimmter Städte und Landkreise teilweise ungeklärt sind. Dies betrifft vor allem Kreise, die durch die Aufteilung getrennt werden oder solche in grenznahen Gebieten. Aber auch Sonderfälle wie die geplante Zusammenlegung von Mecklenburg und Vorpommern, Forderungen der sorbischen Minderheit nach einem Sonderstatus oder die Teilung des Ballungsraumes Halle-Leipzig führen zu öffentlichen und politischen Auseinandersetzungen. Insgesamt sind 15 Kreise in der DDR betroffen, bei denen die Landeszugehörigkeit umstritten ist.
Zudem sind die Festlegungen über die zukünftigen Landeshauptstädte hoch umstritten. Um Anliegen hinsichtlich der Landeszugehörigkeit zu berücksichtigen, finden in zahlreichen Kreisen unverbindliche Bürgerbefragungen statt. Besondere Schwerpunkte sind die Westprignitz, die Uckermark und das westliche Vogtland.
Karte der territorialen Gliederung der DDR-Länder gemäß § 1 Ländereinführungsgesetz.
Im Zuge der Verhandlungen zur Ländereinführung wird auch über die Zukunft der zahlreichen, den DDR-Ministerien zugeordneten Forschungseinrichtungen diskutiert. Bundesrepublik und DDR einigen sich hierzu am 11. September 1990 auf die Einrichtung einer sogenannten Bund-Länder-Clearingstelle, die folgende Aufgaben übernehmen soll:
Entwicklung von Musterstellenplänen und Personalabbauplänen für die Verwaltungen der „neuen“ Länder
Abstimmung der Verwaltungshilfen des Bundes und der Länder beim Aufbau der Landesverwaltungen
In Vorbereitung der deutschen Einheit reichen alle DDR-Ministerien Listen mit Einrichtungen ein, die entsprechend Artikel 13 Abs. 1 und Artikel 14 des Einigungsvertrages ab dem 3. Oktober 1990 in Landeseinrichtungen umgewandelt werden. Nach Beratungen mit den Regierungsbevollmächtigten der Bezirke beschließt der Ministerrat im September 1990 zudem die Einrichtung von Arbeitsstäben in allen Verwaltungen und Einrichtungen, die nach der deutschen Einheit in die Hoheit der Länder übergehen. Diese sollen die Überführung und Abwicklung vorbereiten. Darunter fallen folgende Aufgaben:
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