Seit Gründung der DDR ist es die Aufgabe des Ministeriums für Kultur (MfK), die von der SED vorgegebene Kulturpolitik umzusetzen. Als der im April 1990 berufene neue Kulturminister Herbert Schirmer sein Amt am Ostberliner Molkenmarkt 1-3 antritt, stellt er grundlegende Veränderungen in Aussicht: „Das Ende des staatlichen Anspruchs, Einfluß zu nehmen auf alle Lebensbereiche, muß auch der Beginn einer neuen Kulturpolitik sein. Was neu entsteht, sollte unsere gemeinsame Sache werden.“ Mit diesen Worten lädt Schirmer Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende ein, sich in den Erneuerungsprozess einzubringen. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium begegnet er ebenfalls mit einem Vertrauensvorschuss. Ein Personalaustausch findet zunächst nur auf der Führungsebene (also bei den Staatssekretären und stellvertretenden Ministern) statt. Damit ist der Weg für eine Demokratisierung des Kulturlebens in der DDR geebnet.
Die Aufgaben des Kulturministeriums sind vielfältig. Es ist in allen Fragen von Literatur, Verlagswesen und Buchhandel, Filmwesen, Theater, Musik und Orchester ebenso verantwortlich wie für angewandte und bildende Künste, Unterhaltungs- und Volkskunst. Nicht zuletzt zählen dazu auch die bislang staatlich organisierten öffentlichen Veranstaltungen sowie der Staatszirkus der DDR. Zusätzlich sind dem MfK viele Kultureinrichtungen nachgeordnet wie beispielsweise die Staatlichen Museen zu Dresden und Berlin, das Bauhaus Dessau, das Gewandhaus in Leipzig, das Staatliche Tanzensemble, das Deutsche Theater, die vier nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR (Brandenburg, Ravensbrück, Sachsenhausen, Buchenwald) oder das Sorbische Nationalensemble. Außerdem unterstehen dem MfK die Weiterbildungseinrichtungen der DDR sowie alle künstlerischen Hoch- und Fachschulen.
Die von Minister Herbert Schirmer proklamierte neue Kulturpolitik zielt vor allem auf eine Demokratisierung und Dezentralisierung ab. Die vorhandenen Strukturen müssen entflechtet, aufgelöst und durch neue, öffentliche Trägerschaften ersetzt werden. Bei der Umgestaltung ist zu berücksichtigen, dass nach der Wiedervereinigung alle Kulturfragen künftig Aufgabe der Länder sein werden. Mit der Dezentralisierung der Organisation muss auch die Finanzierung der Kultureinrichtungen und Projekte neu gestaltet werden. Hier stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums vor enormen Herausforderungen. Einerseits müssen die staatlichen Subventionen abgebaut und die Honorare für kulturelle und künstlerische Leistungen neu geregelt werden. Andererseits soll so viel wie möglich von der kulturellen Infrastruktur erhalten bleiben. Der Kulturminister hat nicht nur mit den knappen Mitteln zu kämpfen, sondern muss den Fortbestand vieler Einrichtungen auch bei den Verhandlungen in der deutsch-deutschen Kulturkommission sichern. Dort sehen sich die ostdeutschen Verhandlungspartner auch mit dem Vorurteil konfrontiert, dass die kulturellen und künstlerischen Errungenschaften der DDR ausschließlich politischen Zwecken gedient hätten und daher nicht erhaltenswürdig seien. In diesem Punkt muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Ungeachtet der Bevormundung durch die Staatspartei SED sind in der DDR kulturelle Leistungen entstanden, die weltweit Anerkennung finden. Obwohl beide Seiten die Auffassung teilen, dass die „kulturelle Substanz“ zu erhalten sei, wird über deren konkrete Ausgestaltung hart verhandelt. In zähem Ringen finden die Verhandlungspartner jedoch nur für den Bereich der sogenannten Hochkultur gemeinsame Lösungen zum Bestandsschutz.
Organisation und Auflösung
Auf der Grundlage des Ministerratsbeschlusses zur Umbildung der Ministerien vom 30. Mai 1990 und dem Haushaltsgesetz für das zweite Halbjahr 1990, gilt ab dem 1. Juli ein veränderter Strukturplan für das MfK. Vorgesehen sind acht Abteilungen mit insgesamt 342 Planstellen:
I – Personal, Verwaltung, Rechtsfragen
II – Haushalt, Finanzen
III – Nationale Fragen der Kulturpolitik
IV – Internationale Fragen der Kulturpolitik, Theater
V – Museen, Bildende Kunst
VI – Musik, Hoch- und Fachschulen, Populäre Künste
VII – Literatur
VIII – Film, Video
Zwei Staatssekretäre unterstehen dem Kulturminister:
Udo Bartsch, zuständig für die Abteilungen I-III und Verhandlungsführer für den Bereich Kultur bei der Ausgestaltung des Einigungsvertrages
Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich der Bundesrepublik gehen die Geschäfte und Aufgaben des Ministeriums für Kultur in die Zuständigkeit der fünf wieder gegründeten Bundesländer über. Zu diesem Zweck werden nach dem 4. Oktober 1990 sogenannte Abwickeleinrichtungen gebildet, die aus zwei Gruppen – eine für den Länderbereich, eine für den Bundesbereich – bestehen. In diesen Gruppen arbeiten insgesamt 135 Mitarbeiter des MfK befristet weiter. Der Rest der Beschäftigten wird, soweit keine anderen Möglichkeiten bestehen, in ein ruhendes Arbeitsverhältnis entlassen. Nur über die Übernahme einer kleinen Anzahl von Mitarbeitern ins Bundesministerium des Innern und deren nachgeordneter Einrichtungen wird gesondert verhandelt. Dabei handelt es sich um Personen, die, wie es im Schreiben von Staatssekretär Bartsch heißt, „maßgeblich am Demokratisierungsprozess im Kulturbereich“ mitgewirkt haben.
Im Interview berichtet Herbert Schirmer von seinen Vorstellungen einer neuen, entideologisierten Kulturpolitik und seinen Bemühungen, diese gemeinsam mit Kunst- und Kulturschaffenden umzusetzen.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015
Gabriele Muschter schildert ihre Eindrücke, wie sich die Zusammenarbeit mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 1990 im Kulturministerium gestaltete.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015
Udo Bartsch rekapituliert die Stimmung, die im Ministerium für Kultur bei seinem Amtsantritt als Staatssekretär herrschte und beschreibt den Umgang mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015
Das Kulturministerium feiert mit einer eigenen Party den Abschied von der DDR. Das Motto lautet: Keine Panik auf der Titanic! Herbert Schirmer schildert außerdem seine Eindrücke von der Zeit nach dem 3. Oktober 1990.
Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015
Das Kulturministerium feiert abseits der offiziellen Feierlichkeiten unter dem Motto "Keine Panik auf der Titanic" eine eigene Abschiedsparty. Gabriele Muschter erinnert sich, wie es dazu gekommen ist und an die unterschiedlichen Reaktionen auf das Fest.
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