Ministerium für Wirtschaft

Ende der 1980er Jahre ist die Wirtschaft der DDR in einer schwierigen Situation. Die umweltschädigende Industrieproduktion, mangelnde Investitionen und steigende Schulden führen zum stetigen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Auch das unflexible System der Planwirtschaft und der Unwille zu wirtschaftspolitischen Reformen erzeugen einen immer stärkeren Handlungsdruck. Zudem sind viele DDR-Bürger mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Konsumniveau unzufrieden. An ihren Arbeitsplätzen, aber auch im Alltagsleben sind die wirtschaftlichen Probleme täglich spürbar. Trotz dieser Entwicklungen stehen die wirtschaftlichen Probleme der DDR nicht im Mittelpunkt der Proteste im Herbst 1989. Dennoch tragen sie entscheidend zur Erosion der Legitimität der SED-Herrschaft bei. Bei der Volkskammerwahl im März 1990 erhoffen sich viele Menschen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation.

Produktionsband in der Werkhalle des VEB Sachsenring Zwickau im Juni 1990.
Produktionsband in der Werkhalle des VEB Sachsenring Zwickau im Juni 1990. Quelle: Bundesregierung / Lehnartz

Nach dem Sieg der Allianz für Deutschland und dem Antritt der neuen Regierung unter Lothar de Maizière wird Anfang April 1990 das Ministerium für Wirtschaft (MfW) neu gebildet. Entsprechend eines Ministerratsbeschlusses vom 13. April 1990 werden die erst im Januar 1990 neu eingerichteten Ministerien für Leichtindustrie, Maschinenbau, Schwerindustrie, Außenwirtschaft sowie das Wirtschaftskomitee (Wiko) aufgelöst und die umfangreichen Teilaufgaben im Ministerium für Wirtschaft zusammengeführt. Oberste wirtschaftspolitische Zielsetzung des MfW ist die Umwandlung der DDR-Wirtschaft von einer zentral gelenkten Planwirtschaft zu einer sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft. Die Hauptaufgaben sind:

  • Organisation des Übergangs von der staatlich gelenkten Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft
  • Reform der Steuer- und Haushaltspolitik
  • Förderung der Leistungsfähigkeit der DDR-Wirtschaft und Entflechtung der Kombinate
  • Wettbewerbspolitik
  • Schaffung der Grundlagen für die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
  • Unterstützung der Volkseigenen Betriebe (VEB) bei der Umwandlung in Kapitalgesellschaften sowie Förderung des Kapitalflusses ausländischer Investoren
  • Überwachung der konjunkturellen Entwicklung; Erarbeitung von Strukturmaßnahmen
  • Neuorganisation der Geld- und Kreditwirtschaft

Gerhard Pohl erklärt im Gespräch den Aufbau des Ministeriums für Wirtschaft.

Heimatfilm GbR, 2009

Lothar de Maizière äußert sich zur wirtschaftlichen Situationen der DDR im Jahr 1990.

Heimatfilm GbR, 2009

Gerhard Pohl erinnert sich an seinen ersten Arbeitstag im Ministerium für Wirtschaft.

Heimatfilm GbR, 2009

Lothar de Maizière erläutert die finanzielle Situation der DDR Anfang des Jahres 1990.

Heimatfilm GbR, 2009

Hierfür müssen vor allem die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zu den wichtigsten durch das Ministerium realisierten Gesetze gehören:

Die gesetzgeberischen Maßnahmen zielen auf die Erfüllung der umfangreichen Aufgabenstellungen des Ministeriums ab. Um eine enge Kooperation mit seinem westdeutschen Pendant zu gewährleisten, sind die Organisationsstruktur und Aufgabenverteilung des MfW denen des Bundeswirtschaftsministeriums angepasst. Nach mehreren gemeinsamen Gesprächen wird im Mai 1990 die Bildung von sechs bilateralen Arbeitsgruppen beschlossen, die sich mit folgenden Themen auseinandersetzen:

  • Strukturanpassung
  • Haushalts-, Verwaltungs- und Rechtsfragen
  • Wettbewerbspolitik und Preisfragen
  • Mittelstandspolitik
  • Europapolitik und -recht
  • Außenwirtschaftsgesetz
Der Minister für Wirtschaft der DDR, Gerhard Pohl (l.), und Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (r.) treffen sich am 19. April 1990 erstmals zu offiziellen Gesprächen in Berlin. In der Mitte: Franz Bertele, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR.
Der Minister für Wirtschaft der DDR, Gerhard Pohl (l.), und Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (r.) treffen sich am 19. April 1990 erstmals zu offiziellen Gesprächen in Berlin. In der Mitte: Franz Bertele, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0419-036, Fotograf: Bernd Settnik

Mit etwa 1.820 Mitarbeitern gehört das MfW zu den größten Ministerien in der Regierung de Maizière. Entsprechend dieser Größe werden Minister Gerhard Pohl vier Staatssekretäre an die Seite gestellt. Zum Parlamentarischen Staatssekretär wird Stefan Körber ernannt, der als Beauftragter des Ministers Kontakt zur Volkskammer hält und die Bereiche Rohstoffe, Energie und Umweltschutz verantwortet. Gunter Halm übernimmt nach seiner Berufung zum Staatssekretär die Abteilungen Wettbewerbs- und Preispolitik, Mittelstand, Dienstleistung sowie Bildung, Forschung und Technologie. Der dritte Staatssekretär Martin Dube verantwortet die Leitung der Bereiche Personal, Verwaltung und Allgemeine Wirtschaftspolitik, während Staatssekretär Dieter Prietzel die Abteilungen Außenwirtschaft und wirtschaftliche Integration übernimmt. Angesichts der negativen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in der DDR bietet Gerhard Pohl im August 1990 seinen Rücktritt an. Lothar de Maizière akzeptiert das Ansuchen und setzt Halm als geschäftsführenden Minister für Wirtschaft ein.

Martin Dube, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, zur Zusammenarbeit Ost-West.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Martin Dube, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, zu westlichen Beraterinnen.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Martin Dube, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, zu Aufgaben und Verhandlungen.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Gespräch zwischen Gerhard Pohl (l.) und dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR , Elmar Pieroth, am 16. Mai 1990.
Gespräch zwischen Gerhard Pohl (l.) und dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR , Elmar Pieroth, am 16. Mai 1990. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0516-020, Fotograf: Harmut Reiche

Angeschlossen an das Ministerium sind zudem 33 wissenschaftliche Institute und Einrichtungen, bei denen etwa 4.400 Menschen angestellt sind. Der Großteil der Institutionen soll privatisiert oder aus dem Geschäftsbereich des MfW herausgelöst werden. Dazu gehören unter anderem Einrichtungen wie das Deutsche Institut für Marktforschung in Leipzig, das Institut für Schweißtechnik Mylau oder das Forschungsinstitut für Textiltechnologie in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).

Amtssitz des Ministers für Wirtschaft

Berlin, Unter den Linden, Aussenhandelsministerium. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-D0726-0010-001, Fotograf: Joachim Spremberg
Gebäude des Ministeriums für Außenhandel, 26. Juli 1968. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-D0726-0010-001, Fotograf: Joachim Spremberg

Das Gebäude des Ministeriums für Außenhandel und Innerdeutschen Handel wird im Juli 1968 Unter den Linden in Ost-Berlin eröffnet. Nach der Auflösung des Ministeriums zieht Anfang April 1990 der neue Minister für Wirtschaft, Gerhard Pohl, ein. Zwischen 1992 und 1997 wird das Gebäude entkernt, grundlegend saniert und um ein Geschoss aufgestockt. Heute dient es als Bürokomplex für die Abgeordneten des Bundestages.

Ministerbiografie

Minister für Wirtschaft: Gerhard Pohl (1937 - 2012)

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Staatssekretäre

Die Staatssekretäre im Ministerium für Wirtschaft: Stefan Körber, Gunter Halm, Martin Dube und Dieter Prietzel.

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Wettbewerbspolitik, Preisbildung und das Amt für Wettbewerbsschutz

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Treuhandgesetz und Treuhandanstalt

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