Das Post-und Fernmeldewesen auf dem Weg zur Einheit

Bereits im Dezember 1989 beginnen die ersten Planungen zur Angleichung des deutsch-deutschen Post- und Fernmeldewesens. Bei einem gemeinsamen Treffen vereinbaren der bundesdeutsche Minister für Post- und Telekommunikation, Christian Schwarz-Schilling, und der damalige Minister für Post- und Fernmeldewesen, Klaus Wolf, die Einrichtung einer gemeinsamen Regierungskommission. Die Kommission soll die weitere Ausgestaltung der Post- und Fernmeldebeziehungen beider Staaten regeln. Für jedes Unternehmen wird ein sogenannter Unternehmensausschuss gebildet. Einer für den Bereich Post, einer für den Bereich Telekom und einer für den Bereich Postbank. Zudem erfolgt im Januar 1990 die Bildung einer Arbeitsgruppe „deutsch-deutscher Postverkehr“, die im Bereich des Postdienstes an Regelungen zur Vereinheitlichung des Postverkehrs arbeitet. Nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 werden die Bemühungen auch unter der Regierung de Maizière fortgesetzt und eine sogenannte „Projektorganisation Postunion“ gegründet, in die die AG „deutsch-deutscher Postdienst“ integriert wird. Als zentrale Herausforderungen werden unter anderem folgende Punkte herausgearbeitet:

  • Tarifgestaltung von Postsendungen
  • Vereinheitlichung des Postleitzahlsystems
  • Angleichung des Postbearbeitungs- und Transportsystems
  • Gestaltung des Zustelldienstes
  • Internationaler Briefverkehr und Landpostdienst in der DDR
  • Zukünftige Aufgaben des Postzeitungsvertriebs (PZV)
  • Anpassung und Entwicklung im Schalter- und Kassendienst
  • Emission von Postwertzeichen
  • Personalplanung, Renten, Weiterbildungen und Sozialmaßnahmen
  • Finanzplanung und Wirtschaftsführung
  • Immobilien, Materialwirtschaft und Datenverarbeitung

Hans-Jürgen Niehof erläutert die zentralen Eckpunkte der Projektorganisation "Postunion".

Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015

Beitrag der DDR-Fernsehsendung "Aktuelle Kamera" vom 17. Mai 1990 zum Zusammenwachsen der deutsch-deutschen Post- und Telekommunikation.

Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

Hans-Jürgen Niehof berichtet von den Maßnahmen zum Ausbau des Postservice zwischen DDR und Bundesrepublik.

Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015

Auf Grund der Vorbereitung zur Umsetzung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion müssen die Rahmenbedingungen zur Zusammenführung des Post- und Fernmeldewesens rasch festgelegt werden. In gemeinsamen Erklärungen von MPF und BMPT werden die Eckpunkte für die weitere Zusammenarbeit festgehalten.

Maßnahmen zur Angleichung des deutsch-deutschen Postdienstes

Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gehen verschiedene Maßnahmen zur Angleichung des Postverkehrs einher. Zum 2. Juli 1990 erfolgt zunächst eine Gebührenanpassung für die Leistungen im Postdienst.

Gebuerenordnung_01-07-1990

Informationsbroschüre über die Leistungen und Gebühren der Deutschen Post vom 1. Juli 1990.

Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof
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Mit der Gebührenanpassung soll dem verstärkt aufkommenden „Remailing“, also der Aufgabe von Inlandsbriefen im Ausland, um Porto zu sparen, ein Riegel vorgeschoben werden. Das weiterhin bestehende Gebührengefälle zwischen DDR und Bundesrepublik kann dies aber nur bedingt eindämmen.
Infolge der Währungsunion und der Gebührenanhebung werden neue Briefmarken herausgegeben, auf denen die Wertangabe in DM-Pfennigen ausgezeichnet ist.
Die Verteuerung der Leistungen geht mit zahlreichen Erweiterungen des Service im deutschen-deutschen Post- und Briefverkehr einher. Die schon am 14. Mai 1990 beschlossene Erweiterung des Dienstleistungsangebotes beinhaltet folgende neue Leistungen:

– Massenversand von Mitteilungen zu Werbezwecken (Wurfsendungen)
– Zulassung des Nachnahmedienstes und von Postgütern
– Verkürzung der Postlaufzeit auf drei Tage nach Einwurf (E +3)
– Einlieferung von Massendrucksachen, Paketen und Wirtschaftspaketen bis 20kg
– Einlieferung von Werbeantworten
– Serviceleitung im grenzüberschreitenden Bankverkehr im Zusammenhang mit Postsparbüchern der Deutschen Post

Um die Verbesserungen im Service umzusetzen, sind hohe Investitionssummen notwendig. Zunächst wird festgelegt die sogenannte Postpauschale in vollem Umfang für Investitionen zu verwenden. Die Postpauschaule in Höhe von mehreren Millionen DM wurde seit den 1970er Jahren von der Bundesregierung, als Ausgleichszahlung für die Aufwendungen im innerdeutschen Postverkehr, an die DDR überwiesen. Zuletzt beläuft sich die Postpauschale auf 300 Mio. DM. In der Regel verwendete die DDR-Regierung das Geld jedoch nicht für die Verbesserung der postalischen Infrastruktur, sondern für andere sachfremde Zwecke. Parallel dazu initiiert die Bundesregierung am 20. Juni 1990 ein Investitionsprogramm über 420 Millionen DM. Die Gelder sollen als kurzfristige Infrastrukturhilfe dienen und für Kraftfahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände im Post- und Fernmeldewesen verwendet werden.

Kabinettsvorlage BMPT Investitionstätigkeit. Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof

Kabinettsvorlage von Christian Schwarz-Schilling über die Investitionstätigkeit der Unternehmen der Deutschen Bundespost in der DDR vom 19. Juni 1990.

Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof
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Auf Grund der umfangreichen Investitionen und intensiven Bemühungen gelingt es bis zur deutschen Einheit, die Weichen für eine Angleichung der postalischen Leistungen zu stellen. Die vollständige Beseitigung aller Unterschiede nimmt allerdings noch mehrere Jahre in Anspruch.

Exkurs: Die Staatssicherheit und das Post- und Fernmeldewesen

ADN-ZB Gahlbeck 13.2.1990-Le-Bez. Leipzig: Stasi- Richfunkanlage - Frank Teichmann vom Bürgerkomitee Leipzig zur Aulösung des Amtes für Nationale Sicherheit registriert eine Simplex-Richtfunkanlage des ehemaligen Stasi in einem Gebäude des VEB MAB Schkauditz. Die Anlage wurde im Dezember 1989 abgeschaltet und in den letzten Wochen für die Bedürfnisse der Post und des DRK umgerüstet. Am Nachmittag des 12.2.1990 begann in Anwesenheit von Vertretern des Runden Tischs Leipzig der zivile Betrieb.
Frank Teichmann vom Bürgerkomitee Leipzig zur Auflösung des MfS/AfNS begutachtet eine Simplex-Richtfunkanlage aus den Beständen des MfS. Die Anlage wird im Dezember 1989 abgeschaltet und anschließend für die Nutzung durch die Post umgerüstet. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0213-310, Fotograf: Friedrich Gahlbeck

Mit der Auflösung des MfS/AfNS geht auch die Aufdeckung der massenhaften Post- und Telefonüberwachung einher. Zahlreiche Anlagen zum Öffnen von Paketen und Briefen sowie zum Abhören von Telefongesprächen werden von den Bürgerkomitees aufgespürt und sichergestellt. In Freienbrink bei Berlin wird im Februar 1990 eine Dienststelle des MfS enttarnt, in der alle fehlgeleiteten Sendungen aus der Bundesrepublik und West-Berlin gesammelt, geöffnet und deren Inhalte anschließend dem DDR-Staatshaushalt zugeführt wurden. Auf diese Weise unterschlägt die DDR zwischen 1985 und 1989 ca. 320.000 private Briefe und Pakete aus dem Westen. An allen zentralen Postzentren hatte die Staatssicherheit Briefkontrollstellen eingerichtet, die für die tägliche Kontrolle von 50.000 bis 70.000 Postsendungen verantwortlich waren. Auch etwa 4.000 Telefonabschlüsse wurden in der DDR von der Staatssicherheit abgehört. Einer besonders flächendeckenden Überwachung unterlagen dabei die Telefonverbindungen in die Bundesrepublik und nach West-Berlin.

Emil Schnell berichtet von den Aufdeckung der massenhaften Post- und Telefonüberwachung, die bis 1989 durch die Staatssicherheit durchgeführt wurde.

Quelle: Heimatfilm GbR, 2009

Emil Schnell erklärt welche Maßnahmen zur Demokratisierung der internen Strukturen im Post- und Fernmeldewesens vom Ministerium eingeleitet wurden.

Heimatfilm GbR, 2009
Freienbrink (Bezirk Frankfurt) DDR. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_Depot_08

Einfahrt zum MfS-Depot in Freienbrink am 7. Februar 1990.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_Depot_08
Postkontrolle des MfS. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_01

In der 2. Etage befindet sich die Kontrollstelle des MfS im Hauptpostamt Wriezener Bahnhof. Über die Transportbrücke gelangte das Postgut zu den Kontrolleuren.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_01
Postkontrolle des MfS. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_05

Die Räume der Stasi-Postkontrolle im Wriezener Bahnhof in Ost-Berlin werden nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Februar 1990 versiegelt. Die Container für den Abtransport der Post stehen noch auf den Fluren.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_05
Freienbrink (Bezirk Frankfurt) DDR. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_Depot_08

Einfahrt zum MfS-Depot in Freienbrink am 7. Februar 1990.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_Depot_08
Postkontrolle des MfS. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_01

In der 2. Etage befindet sich die Kontrollstelle des MfS im Hauptpostamt Wriezener Bahnhof. Über die Transportbrücke gelangte das Postgut zu den Kontrolleuren.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_01
Postkontrolle des MfS. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_05

Die Räume der Stasi-Postkontrolle im Wriezener Bahnhof in Ost-Berlin werden nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Februar 1990 versiegelt. Die Container für den Abtransport der Post stehen noch auf den Fluren.

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 90_0207_POL_MfS_PRaub_05
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Im Herbst 1989 verlassen zahlreiche hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MfS aus dem Bereich Post- und Telekommunikationsüberwachung ihre Arbeitsstellen. Durch gute Kontakte zu zahlreichen Personalverantwortlichen der Deutschen Post der DDR können viele ehemalige MfS-Angestellte eine Beschäftigung in diesem Bereich aufnehmen. Zwischen Oktober 1989 und Mai 1990 kommen auf diese Weise etwa 2.000 ehemalige Stasiangehörige im Postdienst unter.
Im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen sind diese Entwicklungen bekannt. Das Referat für Sicherheit des Ministers stellt umfangreiche Nachforschungen zu den Verbindungen von MfS und Post bzw. Fernmeldewesen an. Nach der deutschen Einheit initiiert die Bundespost ein mehrstufiges Überprüfungsprogramm, in dessen Ergebnis knapp 1.700 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS gekündigt werden. Im Laufe der Verfahren stellen die Überprüfungskommissionen zudem 2.324 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest, die als IM für die Staatssicherheit tätig waren.

Gutachten des Referats für Sicherheit des Ministers zur Verstrickung von MfS und dem Post- und Fernmeldewesen der DDR vom August 1990.

Gutachten des Referats für Sicherheit des Ministers zur Verstrickung von MfS und dem Post- und Fernmeldewesen der DDR vom August 1990.

Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof
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