Die Luftfahrt der DDR

Im Rahmen der Umstrukturierung des Ministeriums für Verkehr wird die Hauptverwaltung zivile Luftfahrt (HVZL) in die sogenannte „Abteilung Luftfahrt“ umgewandelt. Der Abteilung wird das „Luftfahrtamt der DDR“ zugeordnet, dessen Struktur dem Luftfahrtbundesamt angepasst wird. Das Luftfahrtamt ist für alle Aufgaben der zivilen Luftfahrt in der DDR zuständig und untersteht der Dienst- und Fachaufsicht des MfV. Vorrangige Aufgabe der Abteilung Luftfahrt und des Luftfahrtamtes ist die Schaffung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zur Fusion mit den bundesdeutschen Luftfahrtbehörden. Die zentralen Schritte hierbei sind:

  • Schrittweise Anpassung der Luftrechtssysteme an die Bestimmungen der Bundesrepublik und an die Statuten der International Civil Aviation Organization (IACO)
  • Schaffung von Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit auf dem Gebiet der Luftfahrt
  • Klärung der Flug- und Verkehrsrechte aus bilateralen Abkommen der DDR
  • Luftverkehr von und nach Berlin; Abstimmung mit den Alliierten
  • Herauslösung des Flugsicherheitsdienstes der DDR aus der Interflug und Umbildung in eine GmbH
  • Herauslösung der Flughafeninfrastruktur aus der Interflug
Der Eingang zum Flughafen Berlin-Schönefeld im Juni 2013. Quelle: Fotograf: calflier001, CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons
Der Eingang zum Flughafen Berlin-Schönefeld im Juni 2013. Quelle: Fotograf: calflier001, CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons

Mit dem Beitritt zur ICAO am 2. Mai 1990 verpflichtet sich die DDR zur Erfüllung der Statuten der internationalen zivilen Luftfahrt. Dies umfasst unter anderem die Öffnung der zivilen Luftfahrt für den internationalen Wettbewerb und die Erleichterung zum Ein- und Überflug des Territoriums der DDR durch zivile Luftfahrzeuge. Gleichzeitig müssen die alliierten Sonderrechte im Luftraum über der DDR und West-Berlin geklärt werden. Zu diesen Themenkomplexen finden im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen drei Plenartagungen und acht Expertengespräche statt. Dabei werden vor allem folgende Fragen geklärt:

  • Vorbereitung zur Aussetzung der alliierten Sonderrechte im Bereich der Luftfahrt und Übergabe der Hoheitsrechte an die Regierung des wiedervereinigten Deutschlands
  • Entwicklung eines integrierten Flugsicherungssystems
  • Zukünftige militärische Nutzung des Luftraums
  • Einrichtung eines einheitlichen Management-Systems zur Kontrolle und Nutzung des Luftraums

Interflug GmbH

Noch 1989 bestellt die DDR-Fluggesellschaft Interflug drei neue Flugzeuge vom Typ Airbus A 310, die jedoch nicht mehr in Betrieb genommen werden. Stattdessen gehen die Maschinen am 3. Oktober 1990 in die Flugbereitschaft der Bundesrepublik über.
Trotz der relativ hohen Auslastung macht Interflug Anfang 1990 erhebliche Verluste, da die Ticketpreise hoch subventioniert sind und die tatsächlichen Betriebskosten nicht decken. Zudem sind die meisten Maschinen veraltet. Besonders hoch ist der Investitionsbedarf bei den vier Verkehrsflughäfen in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden und Erfurt, die jeweils als Unternehmensteile an Interflug angegliedert sind. Im Zuge der Entflechtung der Fluggesellschaft werden die Flughäfen zunächst aus dem Unternehmensbestand herausgelöst und in eigenständige Gesellschaften umgewandelt. Zum alleinigen Verwalter wird vorerst die Treuhandanstalt ernannt. Die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur an den Flughäfen beziffert ein im September vom MfV erstelltes Gutachten auf 840 Mio. DM.

Im Mai und Juni 1990 laufen die Verhandlungen für die Übertragung der Anteile des MfV an der Interflug GmbH an die Treuhandanstalt. Die Anteile in einer Höhe von 180 Mio. Mark der DDR sind auf die sechs Unternehmensbereiche Interflug, Flughäfen, Flugsicherung, Agrarflug, Bildflug und VEB DEUTRANS Internationale Spedition verteilt. Bereits Ende Juli 1990 beginnen Verhandlungen zwischen der Treuhandanstalt und der Lufthansa AG, in denen mögliche Beteiligungs- und Kaufabsichten erörtert werden.
Um die finanziellen Belastungen für den staatlichen Haushalt aufzufangen, bemüht sich die DDR zudem darum, die Bundesrepublik als Gesellschafter für Interflug zu gewinnen. Zu diesem Zweck finden regelmäßig Konsultationen zwischen dem Ministerium für Verkehr und dem BMV statt. Ziel der DDR-Delegation ist es, ein eigenständiges Flugliniennetz für Interflug zu erhalten. Dabei soll, so die Vorstellung des MfV, die Lufthansa auf die Aufnahme Berlins in ihr Liniennetz verzichten, um einen Verdrängungswettbewerb zu vermeiden.

Am 31. Juli 1990 startet eine Maschine vom Typ L 410 zum Linienflug von Erfurt nach Berlin. Die Strecke wird seit dem 18. Juli 1990 wochentags in beiden Richtungen zweimal täglich beflogen. Der einstündige Flug kostet 185 DM.

Am 31. Juli 1990 startet eine Maschine vom Typ L 410 zum Linienflug von Erfurt nach Berlin. Die Strecke wird seit dem 18. Juli 1990 wochentags in beiden Richtungen zweimal täglich beflogen. Der einstündige Flug kostet 185 DM.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0731-031, Fotograf: Ralph Hirschberger

Erstmals nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges landet eine Maschine der Deutschen Lufthansa auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld. Am 5. August 1990 werden etwa 200 Kinder aus Tschernobyl an Bord genommen, die sich im Sommer 1990 in Ferienlagern in der DDR von dem Reaktorunfall erholt haben.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0805-007, Fotograf: Bernd Settnik
Zu zwei Benefizkonzerten für Leipzig starten die Mitglieder des Gewandhaus-Orchesters unter der Leitung von Kurt Masur (vorne l.) vom Flugplatz Leipzig-Schkeuditz nach Hannover.

Zu zwei Benefizkonzerten für Leipzig starten die Mitglieder des Gewandhaus-Orchesters unter der Leitung von Kurt Masur (vorne l.) vom Flugplatz Leipzig-Schkeuditz nach Hannover.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0421-008, Fotograf: Waltraud Grubitzsch (geb. Raphael)
Mit einem Airbus A 310-300 nimmt die Deutsche Lufthansa am 28. Oktober 1990 nach 45jähriger Zwangspause den Liniendienst von und nach Berlin wieder auf.

Mit einem Airbus A 310-300 nimmt die Deutsche Lufthansa am 28. Oktober 1990 nach 45jähriger Zwangspause den Liniendienst von und nach Berlin wieder auf.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-1028-005, Fotograf: Klaus Franke
Am 31. Juli 1990 startet eine Maschine vom Typ L 410 zum Linienflug von Erfurt nach Berlin. Die Strecke wird seit dem 18. Juli 1990 wochentags in beiden Richtungen zweimal täglich beflogen. Der einstündige Flug kostet 185 DM.

Am 31. Juli 1990 startet eine Maschine vom Typ L 410 zum Linienflug von Erfurt nach Berlin. Die Strecke wird seit dem 18. Juli 1990 wochentags in beiden Richtungen zweimal täglich beflogen. Der einstündige Flug kostet 185 DM.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0731-031, Fotograf: Ralph Hirschberger

Erstmals nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges landet eine Maschine der Deutschen Lufthansa auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld. Am 5. August 1990 werden etwa 200 Kinder aus Tschernobyl an Bord genommen, die sich im Sommer 1990 in Ferienlagern in der DDR von dem Reaktorunfall erholt haben.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0805-007, Fotograf: Bernd Settnik
Zu zwei Benefizkonzerten für Leipzig starten die Mitglieder des Gewandhaus-Orchesters unter der Leitung von Kurt Masur (vorne l.) vom Flugplatz Leipzig-Schkeuditz nach Hannover.

Zu zwei Benefizkonzerten für Leipzig starten die Mitglieder des Gewandhaus-Orchesters unter der Leitung von Kurt Masur (vorne l.) vom Flugplatz Leipzig-Schkeuditz nach Hannover.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-0421-008, Fotograf: Waltraud Grubitzsch (geb. Raphael)
Mit einem Airbus A 310-300 nimmt die Deutsche Lufthansa am 28. Oktober 1990 nach 45jähriger Zwangspause den Liniendienst von und nach Berlin wieder auf.

Mit einem Airbus A 310-300 nimmt die Deutsche Lufthansa am 28. Oktober 1990 nach 45jähriger Zwangspause den Liniendienst von und nach Berlin wieder auf.

Bundesarchiv, Bild 183-1990-1028-005, Fotograf: Klaus Franke
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Am 27. Juli 1990 legt der Hauptgeschäftsführer der Interflug, Andreas Kramer, ein Konzept zur Entflechtung der Gesellschaft vor. Darin sind neben einer Analyse des Zustandes der Gesellschaft auch die Ziele des Unternehmensumbaus festgelegt:

  • Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen hat die Interflug im jetzigen Zustand keine wirtschaftliche Überlebenschance
  • Reduzierung der Interflug auf eine reine Fluggesellschaft
  • Herauslösung und Verkauf aller Unternehmensbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören

Zur Reformierung von Interflug sieht das Konzept folgende Schritte vor:

  1. Überführung der Flughäfen in Betreibergesellschaften in privater Rechtsform; Outsourcing von Catering, Abfertigung, Flugzeugbetankung und anderen Leistungen
  2. Übergabe der zivilen Flugsicherung in den Aufgabenbereich des Bundesamtes für Flugsicherung (BFS)
  3. Gründung einer Verwertungs-GmbH, in der alle Vermögenswerte der Interflug zusammengefasst werden, die nicht zum Kerngeschäft, Flugsicherung oder Flughäfen gehören, z.B. Industrie- und Forschungsflug, Agrarflug, Wohnhäuser, Ferienheime etc.; die Gesellschaft dient zur Deckung des Liquiditätsbedarfs der Interflug während der Modernisierungsmaßnahmen
  4. Modernisierung der Maschinenflotte; Abbau von Personal
  5. Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft zur Weiterqualifizierung von entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Trotz aller eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen gelingt es nicht, Interflug als Betrieb zu erhalten. Eine geplante Fusion mit der Lufthansa scheitert Ende 1990 aufgrund eines Einspruchs vom Bundeskartellamt. Nachdem auch ein Einstieg der englischen Fluggesellschaft British Airways nicht zustande kommt, beschließt die Treuhandanstalt am 7. Februar 1991 die endgültige Liquidation der Interflug GmbH.

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Hinweis

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