Das Straßenwesen der DDR

1990 umfasst das Straßennetz der DDR etwa 121.000 km, von denen 1.870 km auf Autobahnen, 11.700 km auf Fernverkehrsstraßen, 32.500 km auf Bezirksstraßen und 75.200 km auf Kreis- und Kommunalstraßen entfallen. In einem Zeitungsinterview erklärt Verkehrsminister Horst Gibtner, dass etwa die Hälfte der Straßen dringend instandgesetzt werden müssen und 50 % der Autobahnen seit 1945 nicht mehr repariert wurden.

Die Autobahn A 4 zwischen Bautzen und Weißenberg vor dem Ausbau im Mai 1992. Die letzte Instandsetzung erfolgte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Autobahn A 4 zwischen Bautzen und Weißenberg vor dem Ausbau im Mai 1992. Die letzte Instandsetzung erfolgte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Quelle: Bundesregierung / Reineke

Das gesamte Straßennetz sowie die Unternehmen für Service, Wartung und Kontrolle sind in der DDR verstaatlicht. Der VEB Autobahndirektion koordiniert alle Aufgaben im Straßenwesen. Die Leitung und Kontrolle obliegt dem Ministerium für Verkehr. Im Zuge der Entflechtung der Volkseigenen Betriebe und Kombinate wird Mitte 1990 mit der Herauslösung und Privatisierung einzelner Unternehmensteile aus der Autobahndirektion begonnen. Ziel dieser Maßnahmen ist die Schaffung eines kommerziellen-privatwirtschaftlichen und eines hoheitlich-staatlichen Bereiches im Straßenwesen.
Ende Juni 1990 erlässt Horst Gibtner eine Anweisung zur Gründung einer privaten Autobahnservicegesellschaft mbH, die alle Serviceleistungen an den DDR-Autobahnen übernimmt. Die ehemals staatlichen MINOL-Tankstellen werden der Treuhandanstalt zur Verwaltung übergeben. Zur Schaffung einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage für das Straßenwesen der DDR entschließt sich das MfV zur Übernahme aller relevanten Bundesgesetze, wie des Bundesfernstraßengesetzes oder des Straßenbaufinanzierungsgesetzes. Im Rahmen der Verhandlungen über den Einigungsvertrag werden in den Anlagen die entsprechenden Rechtsübernahmen festgehalten.

Auch die Institute zur wissenschaftlich-technischen Entwicklung des Straßenwesens werden aus dem Ministerium ausgegliedert, privatisiert oder aufgelöst. Dies betrifft beispielsweise die Unfallforschung oder die Anstalt für Verkehrsentwicklung. Einzelne Forschungszweige werden nach dem 3. Oktober 1990 der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) zugeordnet. Zur wichtigsten Aufgabe im Straßenwesen gehört 1990 der zügige Lückenschluss in den grenznahen Gebieten und die schnelle Instandsetzung der größten Mängel. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Grenzregimes entstehen entlang der innerdeutschen Grenze hunderte neue, zum Teil wilde, Grenzübergänge, die im Laufe des Jahres 1990 aufgerüstet werden müssen.

Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Münchberg (Bayern) öffnen am 17. November 1989 den Schlagbaum an der DDR-Grenze. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Grenzübergang Rudolphstein/Hirschberg.

Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Münchberg (Bayern) öffnen am 17. November 1989 den Schlagbaum an der DDR-Grenze. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Grenzübergang Rudolphstein/Hirschberg.

Berthold Flessa, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de

Zwischen Posseck im sächsischen Vogtland und dem bayrischen Nentschau verläuft die innerdeutsche Grenze. Am 22. Dezember 1989 wird der Grenzübergang Posseck/Nentschau neu eröffnet.

Erich Seitz, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de
Vorbereitungen zur offiziellen Öffnung des Grenzübergangs zwischen Nordhalben im bayerischen Landkreis Kronach und Bad Lobenstein im thüringischen Saale-Orla-Kreis am 18. November 1989.

Vorbereitungen zur offiziellen Öffnung des Grenzübergangs zwischen Nordhalben im bayerischen Landkreis Kronach und Bad Lobenstein im thüringischen Saale-Orla-Kreis am 18. November 1989.

Unbekannt, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de
Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Münchberg (Bayern) öffnen am 17. November 1989 den Schlagbaum an der DDR-Grenze. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Grenzübergang Rudolphstein/Hirschberg.

Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Münchberg (Bayern) öffnen am 17. November 1989 den Schlagbaum an der DDR-Grenze. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Grenzübergang Rudolphstein/Hirschberg.

Berthold Flessa, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de

Zwischen Posseck im sächsischen Vogtland und dem bayrischen Nentschau verläuft die innerdeutsche Grenze. Am 22. Dezember 1989 wird der Grenzübergang Posseck/Nentschau neu eröffnet.

Erich Seitz, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de
Vorbereitungen zur offiziellen Öffnung des Grenzübergangs zwischen Nordhalben im bayerischen Landkreis Kronach und Bad Lobenstein im thüringischen Saale-Orla-Kreis am 18. November 1989.

Vorbereitungen zur offiziellen Öffnung des Grenzübergangs zwischen Nordhalben im bayerischen Landkreis Kronach und Bad Lobenstein im thüringischen Saale-Orla-Kreis am 18. November 1989.

Unbekannt, CC-BY-NC-ND, www.wir-waren-so-frei.de
Schliessen Modal Schließen Modal Schließen

Ähnlich wie bei den großen Infrastrukturprojekten im Bereich Eisenbahnwesen beginnt die eigentliche Planung und Durchführung von Bauvorhaben im Straßenwesen erst im Jahr 1991. Mit der Gründung der Managementgesellschaft „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES)“ werden die wichtigsten und größten Projekte zusammengefasst. Anteilseigner der Gesellschaft sind verschiedene Bundesländer, der Bund und private Unternehmen.

Die Verkehrsunion, Transit- und Verkehrskommission

Bei einem Treffen von Hans Modrow und Helmut Kohl am 13. Februar 1990 in Bonn bietet der Bundeskanzler Verhandlungen über eine Wirtschafts- und Währungsunion an. Im Rahmen der Gespräche in Bonn wird die Einrichtung einer Kommission „Verkehrswege“ zur Schaffung einer Verkehrsunion beschlossen. Damit wird eine gemeinsame Verkehrswegeplanung zwischen Bundesrepublik und DDR endgültig festgeschrieben. Bundesverkehrsminister Zimmermann schlägt seinem damaligen DDR-Amtskollegen Heinrich Scholz folgende prinzipielle Zielsetzungen einer Verkehrsunion vor:

  • Bildung eines verkehrswirtschaftlichen Ordnungsrahmen
  • Schaffung eines gemeinsamen Verkehrsrechts
  • Festlegung einheitlicher Standards im Verkehrswegebau
  • Erstellung eines gemeinsamen Verkehrswegeplans
  • Gewerbefreiheit und Privateigentum im Beförderungsgewerbe
  • Schaffung eines einheitlichen Verkehrswegerecht
  • Angleichung der Regelungen über das Verhalten im Verkehr und über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen

In Arbeitsgruppen werden die zentralen Arbeitsfelder besprochen. Diese umfassen unter anderem:

  1. Abbau der staatlichen Subventionen im Bereich Verkehr
  2. Finanzierung der Aufwendungen für die Verkehrsinfrastruktur
  3. Ökonomische Fördermaßnahmen für den internationalen Verkehr (besonders Luft- und Seeverkehr) zur Sicherung gleicher Bedingungen im Wettbewerb

Um die schnelle und effektive Umsetzung der Verkehrsunion voranzutreiben, entwickelt das MfV in Abstimmung mit dem BMV organisatorische Leitlinien.

Auf einer, in der DDR-Fernsehsendung „Aktuelle Kamera“ am 10. Mai 1990 ausgestrahlten, Pressekonferenz berichtet Verkehrsminister Horst Gibtner über die Verkehrsunion.

Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

Bereits am 3. Mai 1990 wird die Verkehrsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Bonn beschlossen. In dem Abkommen sind wichtige Infrastrukturprojekte, wie der Ausbau der Schnellbahnverbindung zwischen Hannover und Berlin, mit einem Investitionsvolumen von vier Milliarden D-Mark, festgelegt. Zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen soll bis Ende 1991 ein gemeinsamer Verkehrswegeplan ausgearbeitet werden. Weitere Bauprojekte umfassen die Schließung der Elektrifizierungslücken bei den Schienenverbindungen und den Ausbau besonders beschädigter Autobahnen sowie den Wiederaufbau der Elbbrücke Dömitz. Wegen des schlechten Zustands der DDR-Autobahnen lehnt Horst Gibtner die Aufhebung des Tempolimits ab.

Die Transit- und Verkehrskommission

Parallel zu den Verhandlungen in der Verkehrswegekommission tagen zusätzlich die Verkehrs- und Transitkommission. Am 26. Mai 1972 schließen die Bundesrepublik und die DDR ein Transitabkommen ab. Damit wird der Transitverkehr für Westdeutsche und West-Berliner erheblich erleichtert und willkürliche Kontrollen verboten. Im Gegenzug zahlt die Bundesrepublik jährlich mehrere Millionen DM Transitpauschale, die zur Pflege der Verkehrswege genutzt werden soll. Zur Klärung von Problemen wird eine Transitkommission eingerichtet. Dort werden vor allem Verstöße gegen die Vertragsbestimmungen wie Fluchtversuche und Fluchthilfeaktionen erörtert. Mit dem Zusammenbruch des Grenzregimes und der zunehmenden Öffnung der DDR ändern und erweitern sich nun die Aufgabenbereiche. Folgende neue Themenkomplexe werden in der Transitkommission erörtert:

  • Vereinfachung, Reduzierung und perspektivische Abschaffung der Abfertigungsverfahren an der Grenze
  • Einrichtung von regelmäßigem Linienverkehr über neue Grenzübergangstellen
  • Abschaffung von Genehmigungen und Gebühren im Grenzverkehr
  • Öffnung neuer Grenzübergänge
  • Verbesserung der Verkehrsführung

Gleichzeitig werden auch die Treffen der Verkehrskommission eingeschränkt. Die Verkehrskommission wird im Zuge des Abschlusses des Verkehrsvertrages im Jahr 1972 gebildet. In der Kommission werden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Anwendung der Vertragsinhalte abgesprochen.

Am 13. Juni 1990 findet die 117. Sitzung der Transitkommission in Hamburg statt. Auf Grund des Wegfalls der Grenzkontrollen zum 1. Juli 1990 werden die Sitzungen nunmehr nur noch nach Bedarf abgehalten. Damit werden die Beschlüsse über die Verkehrsunion zu den Leitlinien für die Entwicklung des deutsch-deutschen Verkehrswesens. Mit der Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31. August 1990 sind zudem die Inhalte des Verkehrsvertrages von 1972 hinfällig.

Schliessen Modal Schließen Modal Schließen

Hinweis

Schliessen Modal Schließen Modal Schließen