Ministerium für Gesundheitswesen

Wie viele Bereiche in der DDR, so ist auch das Gesundheitswesen geprägt von einer zentralistischen Organisation. Alle Einrichtungen, von den Krankenhäusern und Polikliniken über die Apotheken und Betriebe zur Medikamentenproduktion bis hin zu den Institutionen der ärztlichen Aus- und Fortbildung, unterstehen dem Ministerium für Gesundheitswesen. In einem weitverzweigten System arbeiten Ärzte, Schwestern und medizinisches Personal als staatliche Angestellte. Niedergelassene, also selbständige Ärzte und Zahnärzte, gibt es nur vereinzelt.

Die ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung erfolgt vor allem über Polikliniken und Ambulatorien, in denen mehrere Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen unter einem Dach zusammenarbeiten. Ihre Ergänzung finden diese Strukturen durch ein flächendeckendes Beratungs- und Betreuungsnetz (Dispensaires) für verschiedene chronische Krankheiten wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Nierenkrankheiten. Auch in vielen Betrieben gibt es Gesundheitseinrichtungen, über die der Hauptteil aller Beschäftigten in der DDR betreut wird. Der Staat investiert außerdem stark in die Ausbildung des Personals, die medizinische Forschung und Vorsorgeprogramme. Dazu zählen beispielsweise Pflichtschutzimpfungen, Kariesprophylaxe sowie die Schwangeren- und Mütterberatung. Bei der medizinischen Versorgung auf dem Land spielen die sogenannten Gemeindeschwestern eine tragende Rolle. Als Bindeglied zwischen Arzt und Patient übernehmen sie einen Großteil der medizinischen Erstversorgung, die Krankenpflege im häuslichen Bereich und die Betreuung chronisch Kranker. Für die notfallmedizinische Betreuung ist außerdem der zentrale Rettungsdienst, die Schnelle Medizinische Hilfe (SMH) zuständig, die vom Deutschen Roten Kreuz organisiert wird.

Das Charité-Krankenhaus in Ost-Berlin gehört zu den prestigeträchtigsten Einrichtungen im DDR-Gesundheitswesen. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 88_0630_GES_Arznei_05
Das Charité-Krankenhaus in Ost-Berlin gehört zu den prestigeträchtigsten Einrichtungen im DDR-Gesundheitswesen. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 88_0630_GES_Arznei_05

Seit den 1970er Jahren befindet sich das Gesundheitswesen der DDR in einer finanziellen und strukturellen Krise. Die schlechter werdende wirtschaftliche Situation erschwert zunehmend die allgemeine Grundversorgung. Es mangelt an Personal, moderner Technik, Arzneimitteln und Verbrauchsmaterial. Viele Krankenhäuser weisen Bauschäden auf, die jedoch aufgrund von Arbeitskräfte- und Materialmangel nicht repariert werden können. Eine volle Auslastung der vorhandenen Kapazitäten ist dadurch nicht möglich. Die schlechter werdende materielle Ausstattung wird zum Hauptproblem des Gesundheitswesens in den 1980er Jahren. Deshalb trifft die Fluchtwelle im Sommer 1989 das Gesundheitswesen besonders empfindlich, da Tausende Angestellte aus dem medizinischen und pflegerischen Bereich der DDR den Rücken kehren. Ab Dezember 1989 werden deshalb 2.000 NVA-Angehörige republikweit im Gesundheitswesen eingesetzt, um den akuten Personalmangel abzumildern. Zusätzliche Anreize wie Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens, die im Februar 1990 beschlossen werden, zeugen von dem späten Versuch, die Fachkräfte in der DDR zu halten. Zu diesem Zeitpunkt ist längst klar, dass das gesamte Gesundheitssystem grundlegender struktureller Veränderungen bedarf. Nach den Wahlen vom 18. März wird der Orthopäde Prof. Dr. Jürgen Kleditzsch als Gesundheitsminister ins Kabinett de Maizière berufen. Als Arzt weiß er um die komplexen Problemlagen im Gesundheitswesen. Sein wichtigstes Anliegen ist daher, die Stabilität der medizinischen Versorgung zu gewährleisten und gleichzeitig den Umbau der Strukturen voranzutreiben. In den wenigen Monaten bis zur Vereinigung beider deutscher Staaten werden rund ein Dutzend Gesetze und Verordnungen erlassen, die den rechtlichen Rahmen zur Überführung des Gesundheitswesens der DDR in ein einheitliches Deutschland schaffen.

Prof. Dr. Jürgen Kleditzsch berichtet im Interview über seine Ernennung zum Gesundheitsminister und den Amtsantritt im Ministerium im April 1990.

Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015

5. Volkskammersitzung vom 26. April 1990: Stellungnahme von Gesundheitsminister Jürgen Kleditzsch zu aktuellen Problemen im Gesundheits- und Sozialwesen.

Deutscher Bundestag

Prof. Dr. Jürgen Kleditzsch erläutert im Interview wie sich die Situation im Gesundheitswesen im Frühjahr 1990 darstellte und welche Problemfelder es gab.

Bundesstiftung Aufarbeitung, 2015

Organisation und Standort

Das Ministerium für Gesundheitswesen (MfG), das seinen Sitz in der Rathausstraße 3 in Ost-Berlin hat, geht mit einer leicht veränderten Aufgabenstellung aus dem früheren Ministerium für Gesundheits- und Sozialwesen hervor. Die Hauptstruktur des Ministeriums besteht aus vier Abteilungen:

I – Generelle Planung, zentrale Verwaltung
II – Rechtsfragen, Internationale Beziehungen
III – Gesundheitswesen
IV – Medizinische Forschung und Bildung

Einige Aufgaben werden aus dem MfG ausgegliedert und dem neu gebildeten Ministerium für Familie und Frauen zugeordnet. Dazu gehören beispielsweise die Zuständigkeit für die Kleinkindbetreuung (Krippen), die Familienplanung und den Schwangerschaftsabbruch sowie die Betreuung älterer Menschen, sofern es sich dabei nicht um Heime oder medizinische Betreuungsaufgaben handelt.

Es gibt Mitarbeiter, die aufgrund ihrer politischen Belastung freiwillig aus dem Ministerium ausscheiden. Der bisherige stellvertretende Gesundheitsminister, Obermedizinalrat Dr. Horst Schönfelder, verbleibt aufgrund seiner fachlichen Kompetenz als Staatssekretär im Ministerium. Zum Parlamentarischen Staatssekretär wird der Zahnarzt Dr. Thomas Schmidt ernannt.

Ab Juni 1990 werden außerdem Mitarbeiter aus dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ins MfG entsandt, deren Aufgabe es ist, bei der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen über die Angleichung des Gesundheitswesens der DDR an dasjenige der Bundesrepublik mitzuhelfen.

Die dem Ministerium für Gesundheitswesen nachgeordneten 38 Einrichtungen stehen aufgrund der Regelungen im Einigungsvertrag nach dem 3. Oktober 1990 vor einer ungewissen Zukunft. Für ihre Abwicklung oder Fortführung ist dann das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zuständig. Zu den betroffenen Einrichtungen zählen z.B. die Zentralstelle für Ärztliche Begutachtung, die Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR und das Deutsche Hygienemuseum in Dresden. Schon ab Mai 1990 werden Zukunftsperspektiven für diese Institute entwickelt, wobei zu entscheiden ist, welche Einrichtungen oder Teile von Einrichtungen in die Zuständigkeit des Bundes bzw. der neuen Länder gehören, welche aufgelöst, welche privatisiert bzw. in andere Trägerschaften überführt oder in die neu zu bildenden Gesundheitsämter eingegliedert werden sollen. Der notwendige Personalabbau erfolgt über Vorruhestandsregelungen, Umsetzungen und fristgemäße Kündigungen, wobei im letzten Falle in der Regel Abfindungen gezahlt werden. Ende September 1990 verfügen die über 30 Einrichtungen noch über einen Gesamtpersonalbestand von 8.690 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Davon finden 980 beim Bund, 5.941 bei den Ländern und Kommunen sowie 197 Personen in privaten Einrichtungen neue Arbeitsplätze. Für 1.572 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist am 3. Oktober 1990 die Zukunft noch unklar.

Schaffung von Gesundheitsämtern

Anfang August 1990 werden in den neuen Landkreisen und kreisfreien Städten per Verordnung die Gesundheitsämter eingerichtet. Sie übernehmen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes und sind beispielsweise zuständig für die Beratung und gesundheitliche Aufklärung zu übertragbaren Krankheiten, das Impfwesen, den Verbraucherschutz im Verkehr mit Lebensmitteln bzw. die Lebensmittelüberwachung sowie die Trinkwasser- und Gewässeraufsicht.

Ministerbiografie

Nach den Wahlen vom 18. März 1990 wird der Orthopäde Jürgen Kleditzsch als Gesundheitsminister ins Kabinett de Maizière berufen.

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Staatssekretäre

Die Staatssekretäre im Ministerium für Gesundheitswesen: Thomas Schmidt, Horst Schönfelder

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Stabilisierung des Gesundheitswesens

Die wichtigste Aufgabe der Verantwortlichen im Gesundheitswesen besteht 1990 darin, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

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Umstrukturierung des Gesundheitswesens

Der Strukturwandel im Gesundheitswesen der DDR ist grundlegend. Nur wenig des Vorhandenen kann erhalten werden.

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Aufbau einer neuen Krankenversicherung

Die zentrale Sozialversicherung wird aufgelöst und eine eigene Krankenversicherung mit einem gegliederten Krankenkassensystem eingeführt.

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Hinweis

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