Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft

Unter der Regierung de Maizière ist es die Aufgabe des Ministeriums für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft (MELF), für eine Umstrukturierung und Anpassung der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft an die Bedingungen in der Bundesrepublik und in der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu sorgen. Dieser Prozess wird von einschneidenden Maßnahmen begleitet, die ein großes Konfliktpotential bergen. Das Ziel der bisherigen Landwirtschaftspolitik der SED, das auf maximale Produktion um jeden Preis ausgerichtet war, wird aufgegeben. Es ist auch nicht mehr Aufgabe des MELF, die gesamte Produktion im Land zu organisieren und zu planen. Stattdessen müssen die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe mit Einführung der Marktwirtschaft lernen, ökonomisch zu wirtschaften und im Wettbewerb auf einem freien Markt zu bestehen. Für die Landwirtschaft bedeutet das die radikalste Veränderung seit der Zwangskollektivierung in den 1950er Jahren.

Peter Pollack, Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft der DDR (l.) zu Gast bei seinem bundesdeutschen Amtskollegen Ignaz Kiechle (r.) am 8. Mai 1990 in Bonn. Quelle: Bundesregierung / Stutterheim
Peter Pollack, Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft der DDR (l.) zu Gast bei seinem bundesdeutschen Amtskollegen Ignaz Kiechle (r.) am 8. Mai 1990 in Bonn. Quelle: Bundesregierung / Stutterheim

Um die notwendigen Rahmenbedingungen zur Überführung der Land- und Forstwirtschaft in ein geeintes Deutschland zu schaffen, werden innerhalb weniger Monate acht Gesetze verhandelt und verabschiedet. In die Erarbeitung der Gesetze und Anordnungen sind dabei in hohem Maße die Ausschüsse der Volkskammer, das bundesdeutsche Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMEL) sowie die Europäische Gemeinschaft in Brüssel involviert.

Organisation und Standort

Bis 1990 ist im Gebäudekomplex auf der Köpenicker Allee 39-57 das Landwirtschaftsministerium untergebracht. Quelle: Museum Lichtenberg
Bis 1990 ist im Gebäudekomplex auf der Köpenicker Allee 39-57 das Landwirtschaftsministerium untergebracht. Quelle: Museum Lichtenberg

Das Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft geht mit veränderter Aufgabenstellung aus dem früheren Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft hervor. Es behält seinen Sitz in der Köpenicker Allee 39-57 in Ost-Berlin. Um eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu ermöglichen, ist eine umfangreiche organisatorische Neuausrichtung erforderlich.

 

 

Für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 existieren folgende Fachabteilungen:

  • Allgemeine Angelegenheiten der Agrarpolitik
  • Agrarische Erzeugnisse und Veterinärwesen
  • Forstwirtschaft, Holzwirtschaft, Jagd, Umwelt, Naturschutz und Wasserwirtschaft
  • Markt- und Ernährungspolitik
  • Fischereipolitik, Spezifische Angelegenheiten der Außenmärkte der EG und des RGW

Michael Heinemann, Staatssekretär von Mai bis Oktober 1990 im Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, zu Ausgangslage und Aufgaben.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Michael Heinemann, Staatssekretär von Mai bis Oktober 1990 im Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, zur Versorgungslage.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Michael Heinemann, Staatssekretär von Mai bis Oktober 1990 im Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, zum Fischereiwesen.

© "Von der Revolution zum Regieren", ein Projekt des Institut für angewandte Geschichte e.V., gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018-2019

Die innerministeriellen Strukturen werden so verändert, dass viele der über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter völlig andere Aufgaben übernehmen. Außerdem muss der Personalbestand bis Jahresende auf maximal 450 Mitarbeiter reduziert werden. In den mehr als 80 dem Ministerium nachgeordneten Einrichtungen arbeiten per 30. Juni 1990 noch insgesamt 20.391 Menschen. Dazu zählen beispielsweise alle Agrar- und Ingenieurschulen sowie dutzende Kombinate der Pflanzen- und Tierzucht, der (verarbeitenden) Nahrungsgüterindustrie und der Binnenfischerei. Die Zukunft der nachgeordneten Einrichtungen ist ungewiss, eine Reduzierung der Arbeitsplätze unvermeidlich.

Bis auf wenige Ausnahmen bleiben die Arbeitsverhältnisse für die Mitarbeiter des MELF bis Ende Dezember 1990 bestehen, ruhen aber – wie in den anderen Ministerien auch – ab dem 3. Oktober. Während dieser Ruhezeit bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein sogenanntes Wartegeld. Nur ein Bruchteil des ehemaligen Personals findet später im bundesdeutschen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine neue Anstellung. Das BMEL schafft 267 neue Stellen, auf die sich alle ehemaligen MELF-Mitarbeiter und Mitarbeiter der direkt nachgeordneten Einrichtungen bewerben können.

Auf Vorschlag der SPD wird der parteilose Agrarwissenschaftler Peter Pollack als neuer Landwirtschaftsminister in das Kabinett de Maizière berufen. Dieser entlässt zu Beginn seiner Amtszeit die bisherigen Staatssekretäre und die meisten der stellvertretenden Minister. Im Mai besetzt er die Posten der Staatssekretäre neu:

  •  Peter Kauffold, Parlamentarischer Staatssekretär und zuständig für allgemeine Agrarpolitik, innerdeutsche Beziehungen, EG, Grundlagen der Marktpolitik, Agrarstrukturpolitik im ländlichen Raum und die Zusammenarbeit mit allen wissenschaftlichen Einrichtungen im Bereich der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft.
  • Michael Heinemann, zuständig für Nahrungsgüterwirtschaft, Lebensmittelindustrie, spezielle Marktpolitik und das Fischereiwesen.
  • Dieter Schwarze, zuständig für Forstwirtschaft, Jagd, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie Agrarische Erzeugung, Pflanzenschutz und Veterinärwesen.

Die Zentralabteilung mit Organisation, Personal und Finanzen wird dem Minister persönlich unterstellt. Des Weiteren werden zehn gemeinsame Arbeitsgruppen eingerichtet und einige ständige Berater aus dem BMEL in das MELF entsandt, darunter ein persönlicher Berater für den Minister.

Am 16. August wird Peter Pollack als Landwirtschaftsminister entlassen. Danach übernimmt für einige Tage Peter Kauffold die Geschäftsführung des Ministeriums, bis auch er am 22. August seinen Posten als Parlamentarischer Staatssekretär niederlegt. Seine Nachfolge tritt der CDU-Abgeordnete Gottfried Haschke an, der bisher in der Volkskammer als Obmann der Arbeitsgruppe Landwirtschaft tätig und Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewesen ist.

Ministerbiografie

Der parteilose Agrarwissenschaftler Peter Pollack ist neuer Landwirtschaftsminister im Kabinett de Maizière.

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Staatssekretäre

Die Staatssekretäre im MELF: Peter Kauffold, Michael-Andreas Heinemann, Dieter Schwarze, Gottfried Haschke

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Umstrukturierung der Landwirtschaft

Innerhalb kurzer Zeit müssen die Betriebe große Strukturanpassungen durchführen, um wettbewerbsfähig zu werden und rentabel zu wirtschaften.

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Zusammenbruch des Agrarmarktes

Der mangelnde Absatz einheimischer Erzeugnisse und die Überproduktion im Land führen zu erheblichen Marktstörungen.

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Ernährungswirtschaft

Im Sommer 1990 sind Erzeugnisse aus der DDR nicht mehr gefragt. Das bringt die einheimischen Produzenten in existenzielle Schwierigkeiten.

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Hinweis

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